Im April 2004 wurde das Einsatzkräftenachsorgeteam Stuttgart (ENTS) gegründet

Feuerwehr Stuttgart

08.04.2014, Jubiläum: ENTS seit zehn Jahren im Dienst
Im April 2004 wurde das Einsatzkräftenachsorgeteam Stuttgart (ENTS) gegründet

Als im April 2004 in den Räumen der Stiftung Geißstraße 7 die neuen Teammitglieder des Einsatzkräftenachsorgeteams Stuttgart (ENTS) offiziell ihren Dienst aufgenommen hatten, konnte und wollte niemand voraussagen, ob das Team in den folgenden Jahren von den Einsatzkräften akzeptiert und angefordert wird. Heute, zehn Jahre später, ist das ENTS ein fester Bestandteil in der Stuttgarter Feuerwehr. Ein Rückblick auf zehn Jahre Einsatzkräftenachsorgeteam Stuttgart bestätigt heute, dass die Gründung im Jahr 2004 eine richtige Entscheidung war.

Die Gründung der Stiftung Geißstraße 7 im Jahr 1996 geht auf einen Brandanschlag am 16. März 1994 auf das Wohn-und Geschäftshaus zurück. Bei dieser schwersten Brandkatastrophe in Stuttgart seit dem Zweiten Weltkrieg starben sieben Menschen, sechzehn erlitten Verletzungen. Das Haus in der Geißstraße 7 war vorrangig von Flüchtlingen und Menschen nichtdeutscher Herkunft bewohnt worden und überbelegt. Dieses verheerende Brandereignis war einer der ausschlaggebenden Punkte für Gründung des ENTS.

Einsatzkräfte der Berufs-, der Freiwilligen- oder der Werkfeuerwehr, des Rettungsdienstes oder auch Privatpersonen die Einsatzkräften nahestehen, hat das ENTS in den vergangenen zehn Jahren betreut und wenn notwendig an entsprechende Facheinrichtungen weitervermittelt.

Regelmäßige Teamtreffen mit gemeinsamen Fortbildungseinheiten erfolgen in kontinuierlicher Regelmäßigkeit. Diese Teamtreffen dienen außer der Fortbildung ebenso der Reflektion der Einsätze innerhalb unseres Teams.

Im Jubiläumsjahr besteht das Team aus vier Psychosozialen Fachkräften (Diakone, Pfarrer, Seelsorger) und neun Peers (besonders geschulte Personen, Einsatzkräfte aus dem mittleren, gehobenen und höheren feuerwehrtechnischen Dienst und einem Mitglied der Johanniter-Unfallhilfe). Eine weitere Aufstockung des Teams inklusive der Ausbildung der neuen Mitarbeiter soll noch in diesem Jahr erfolgen.

Einsatzbezogener Schwerpunkt des ENTS ist die Feuerwehr Stuttgart, für die primär die Zuständigkeit gesehen wird. Allerdings war das ENTS in den vergangenen zehn Jahren auch mehrfach außerhalb der Stadtgrenze Stuttgarts eingesetzt.

Angeschlossen ist das ENTS der Bundesvereinigung Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen e. V. (SbE e.V.). Alle Teammitglieder durchlaufen die Ausbildungseinheiten von SbE e. V. als Grundlage für die Tätigkeit im Einsatzkräftenachsorgeteam. Die SbE-Bundesvereinigung ist die erste und größte Einsatznachsorge-Organisation im deutschsprachigen Bereich. Sie wurde 1996 gegründet und hat in 18 Jahren rund 4.000 Psychosoziale Fachkräfte und Einsatzkräfte in ca. 700 Kursen in der SbE-Methode geschult.

Das Ziel in den kommenden Jahren, ist die Ausdehnung der Prävention auf alle Bereiche der Feuerwehr Stuttgart. Ebenso wird es erforderlich sein, finanzielle Möglichkeiten zu schaffen, um auch zukünftig Psychosoziale Kräfte für unsere Teamarbeit gewinnen zu können.

In den vergangenen zehn Jahren wurden, um Akzeptanz bei den Einsatzkräften zu erzielen, der Zweck, die Aufgaben, die Methoden und die Teammitglieder den einzelnen Wachabteilungen der fünf Feuerwachen, den 24 Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr und den Führungskräften vorgestellt. Innerhalb der Laufbahnausbildung für den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst (LAMD) werden jedem der neuen Mitarbeiter die Arbeit und die Hintergründe des ENTS vermittelt, ebenso den Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr während der TM-Ausbildung. Somit ist gewährleistet, dass bereits frühzeitig und noch vor der Absolvierung ihres 1. Einsatzes auch „neue“ FM (SB) mit der Materie „Einsatzkräftenachsorge“ in Kontakt kommen.

Vielen Einsatzkräften begegnet das ENTS nur in der Ausbildung. Die Einsätze laufen diskret, oftmals im Verborgenen ab. Dies ist einer der wichtigsten Grundbausteine einer funktionierenden Nachsorge nach Einsätzen oder belastenden Ereignissen. Eines der Ziele des ENTS seit seiner Gründung war, den Einsatzkräften vor und nach einem belastenden Einsatz zu vermitteln, dass Belastungsreaktionen bis zu einem gewissen Stadium normal sind.

Einsatzkräfte wollen Menschen in Not helfen. Dabei können sie jeden Tag Leid und Tod begegnen. Viele Einsatzkräfte haben schützende Bewältigungsmechanismen gefunden. Manchmal wird es aber auch erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zu viel und es treten Belastungsreaktionen auf. Innerhalb der Feuerwehr Stuttgart hat man sich schon lange von der Aussage “Wer das nicht wegsteckt, hat bei uns nichts verloren” verabschiedet. Belastungsreaktionen von Einsatzkräften nach besonders belastenden Einsätzen sind menschlich verständlich, wissenschaftlich nachgewiesen und gesellschaftlich anerkannt.

Nach besonders belastenden Ereignissen bieten die Mitglieder des ENTS qualifizierte kollegiale Unterstützung an. Diese umfasst vorbeugende und einsatzbegleitende Maßnahmen, um mit besonders belastenden Erlebnissen und deren Folgen angemessen umgehen zu können. Belastende Ereignisse für Einsatzkräfte können sich z. B. ergeben bei:

• der Verletzung oder dem Tod eines Kollegen,
• schweren Unfällen mit Kindern,
• persönlicher Bekanntschaft mit Opfern;
• schrecklicher Anblick von Verletzten und Toten,
• starkem Medieninteresse, Großschadenslagen sowie
• Gefahr für das eigene Leben und erlebter Todesangst.

Als Belastungsreaktionen können beispielsweise auftreten:

• sich aufdrängende Erinnerungen (Bilder, Geräusche, Gerüche),
• Schlafstörungen,
• Gereiztheit, Aggression, Angst,
• Schuldgefühl,
• sozialer Rückzug und
• körperliche Beschwerden

Belastungsreaktionen sind eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis.

Sie bilden sich in der Regel innerhalb einer Woche von selbst wieder zurück. Dabei erweisen sich Gespräche im Kollegenkreis, das soziale Netz eines Menschen und seine persönlichen Möglichkeiten als hilfreich, um zur Ruhe zu kommen. In manchen Fällen kann sich jedoch eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln, die einer professionellen Hilfe bedarf.

Das ENTS bietet seit seiner Gründung im Jahr 2004 kollegiale Hilfe, unterstützende Maßnahmen zur Stressbearbeitung und den Abbau von Belastungsreaktionen. Dazu gehören u.a.

• ein offenes Ohr,
• Informationen über Stressbewältigung,
• vertrauliche Einzelgespräche,
• Begleitung vor Ort während außergewöhnlicher Einsätze,
• kurzfristige Besprechungen zum Einsatzabschluss,
• geplante, strukturierte Einsatznachbesprechungen (2 bis 14 Tage später) und
• Vermittlung weiterer Hilfsangebote.

Die ständige Erreichbarkeit über zwei Mobilfunktelefone, die jeweils zwei ENTS-Mitglieder bei sich tragen, hat sich bewährt und wird auch in Zukunft beibehalten. Diese Rufnummern sind innerhalb der Feuerwehr Stuttgart bekannt, können aber auch über die Integrierte Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst (ILS) erfragt werden. Es hat sich gezeigt, dass es möglich ist, innerhalb kürzester Zeit, ein Team zusammenzustellen und Kontakt mit den betroffenen Einsatzkräften aufzunehmen.

Die Psychosozialen Fachkräfte und die Peers des ENTS unterstützen vertraulich, kollegial, ehrenamtlich und unabhängig. Ziel hierbei ist die Vorsorge durch Informationen der Einsatzkräfte über Stressbearbeitung sowie Entlastung der emotionalen Belastungen nach außergewöhnlichen Einsätzen. Das ENTS wird nur auf Anfrage aktiv und drängt sich nicht auf. Die Durchführung einer Therapie bei einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung übersteigt die Möglichkeiten des ENTS. Wo medizinische oder psychotherapeutische Hilfe notwendig erscheint, verweist das ENTS an entsprechende Fachstellen.

Das Credo „Ein Einsatz ist nicht dann beendet, wenn die Fahrzeuge in der Halle stehen, sondern der Helfer versorgt ist“ wird auch in der Zukunft gewahrt werden. Das ENTS wird den Einsatzkräften beistehen, wenn es gebraucht wird.

„Wenn Ihr uns braucht, sind wir da!“
Leitsatz des ENTS

„Wir hoffen, dass wir euch nicht brauchen,
aber es ist gut zu wissen, dass es euch gibt!!”
Aussage einer Einsatzkraft

Einsatzkräftenachsorgeteam Stuttgart

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